Linkshändige und umgeschulte linkshändige Kinder und Jugendliche

Johanna Barbara Sattler

Eine Umschulung der Händigkeit kann zu starken negativen Folgeerscheinungen in der Schule und im Wohlbefinden des Menschen allgemein führen auf Grund von ungünstigen zerebralen Abläufen und Belastungen, die sich in psychische und psychosomatische Störungen weiter umsetzen können. Daher ist die richtige Händigkeitsdiagnose äußerst wichtig.

Unstabiler, wechselnder Handgebrauch, ein Dilemma bei der Einschulung

„Ich war völlig entsetzt“, berichtet Frau H. aufgeregt über den Verlauf der Einschulungsuntersuchung von der Schulärztin bei ihrem Sohn Max und fährt fort: „Also die Schulärztin hat mich wirklich fasziniert, die hat mich so fertig gemacht, und ich war im ersten Moment äußerst perplex.“

Max hat kurz nach dem Stichtag zur Einschulung im kommenden Herbst Geburtstag und wurde daher der Schulärztin wegen vorzeitiger Einschulung vorgestellt. Er freute sich schon sehr auf die Schule, die er mit 15 anderen Jungen ab September besuchen sollte. Die Ärztin eröffnete der Mutter, dass Max zwar schulreif sei, aber nicht schulfähig, denn er wechsele beim Malen ständig den Stift von der linken in die rechte und von der rechten in die linke Hand und ein Kind mit einer so ungeklärten Händigkeit würde sie nicht befürworten einzuschulen. Die Schulärztin erklärte der Mutter genau, welche Risiken hier entstehen und dass bei dem Gebrauch der nicht dominanten Hand zum Schreiben unausweichliche Umschulungsfolgen sich auf das ganze Leben von Max negativ auswirken können.

Die Erzieherinnen waren der Meinung, dass Max Linkshänder sei, auch wenn er in der letzten Zeit eigenartig unstabil im Handgebrauch – besonders beim Malen und Schneiden – geworden ist. Auch der Mutter war das aufgefallen, doch hielt sie ihn eigentlich schon seit immer für einen Linkshänder.

Irritiert und verwirrt durch die Schulärztin suchte sie dann Rat bei ihrer Kinderärztin, die alle medizinischen Vorsorgeuntersuchungen bei Max durchgeführt und nie etwas bemängelt hatte.

„Ach, so ein Schmarrn“, sagte diese, „man soll ihn in Ruhe lassen, das legt sich schon irgendwann.“ Sie machte aber doch einen Kurztest mit Max, um die Mutter zu beruhigen. Dieser bestand darin, dass Max einen Kreis mit einer Linie einmal mit der rechten und einmal mit der linken Hand nachfahren sollte. Daraufhin teilte sie der Mutter mit: „Max ist ein totaler Rechtshänder.“

Jetzt war die Mutter ganz durcheinander, auf welches Urteil konnte sie sich überhaupt noch verlassen und wie sollte sie ihrem Sohn erklären, dass es dieses Jahr noch nichts mit der Schule werden würde? Am aussagekräftigsten kam ihr noch der Einschulungstest der Lehrer vor, der etwas länger als eine Stunde gedauert hatte. Die Lehrer hielten ihn für schulreif und schulfähig und der Rektor meinte gutmütig, dass Max sich entscheiden solle, mit welcher Hand er nun lieber malt und schreibt und fügte hinzu, es wäre schon besser, wenn man das in der ersten, zweiten Klasse in den Griff bekäme.

Wirklich zufrieden und beruhigt war die Mutter aber doch noch nicht.

Händigkeit und Folgen der Umschulung der Händigkeit
Bis heute besteht noch viel Unsicherheit im Umgang mit linkshändigen Kindern und ganz besonders mit Kindern, die nicht eindeutig im Gebrauch einer bevorzugten Hand sind, die also noch abwechseln.

Kinderärzte, Allgemeinärzte und Schulärzte kennen diese Schwierigkeiten und gehen sehr unterschiedlich damit um. Häufig werden aber Unsicherheiten im Handgebrauch erst kurz vor der Einschulung wahrgenommen und selten wird kompetente Hilfe aufgesucht bzw. gefunden.

Noch vor nicht allzu langer Zeit wurden linkshändige Kinder oft schon früh im Elternhaus auf den Gebrauch der rechten Hand zum Malen, Schreiben und Essen umgeschult und zählten dann in der Schule automatisch zu den Rechtshändern, obgleich sie umgeschulte Linkshänder waren.

Auch Kinder mit wechselndem Handgebrauch wurden oft auf die rechte Hand für Kulturtechniken wie Schreiben und den Gebrauch des Bestecks festgelegt und die Ärzte hatten eher wenig mit Fragen der Händigkeitsbestimmung zu tun.

Durch ausgiebige Forschungen, Langzeitstudien und Beobachtungen in der Praxis ist inzwischen bekannt, dass Händigkeit Ausdruck der motorischen Dominanz der kontralateralen Gehirnhälfte ist, insbesondere einer funktionalen Aktivierung des kontralateralen primär-motorischen Kortex, Area 4. Auch der genetische Ursprung einer normalen Händigkeit wird kaum noch angezweifelt.

Weiter ist bekannt, dass durch eine Umschulung der Händigkeit von der dominanten auf die nicht dominante Hand, insbesondere bei so intellektuell belastenden Tätigkeiten wie dem Schreiben, das große feinmotorische Anforderungen stellt, es zu verschiedenen negativen Primär- und Sekundärfolgeerscheinungen kommen kann.

Primärfolgen können sein:

  • Gedächtnisstörungen (besonders beim Abrufen von Lerninhalten)
  • Konzentrationsstörungen (schnelle Ermüdbarkeit)
  • legasthenische Probleme (Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten)
  • Raum-Lage-Labilität (Links-Rechts-Unsicherheit)
  • feinmotorische Störungen (die sich z.B. im Schriftbild äußern)
  • Sprachstörungen (Stammeln bis zum Stottern)

Diese Primärfolgen können sich dann in unterschiedliche Sekundärfolgen umsetzen:

  • Minderwertigkeitskomplexe
  • Unsicherheit
  • Zurückgezogenheit
  • Überkompensation durch erhöhten Leistungseinsatz (Demosthenes-Effekt)
  • Trotzhaltung, Widerspruchsgeist, Imponier- und Provokationsgehabe (z.B. „Klassenkasperle spielen“ im Unterricht, und im Erwachsenenalter die Rolle des Clowns und des andauernden, oft krampfhaften Witzemachers)
  • unterschiedlich ausgeprägte Verhaltensstörungen
  • Bettnässen und Nägelkauen
  • emotionale Probleme bis ins Erwachsenenalter mit neurotischen und/oder psychosomatischen Symptomen
  • Störungen im Persönlichkeitsbild.

Alle unter Primär- und Sekundärfolgen aufgeführten Schwierigkeiten können selbstverständlich auch ohne eine Umschulung der Händigkeit auftreten, und zwar genauso bei Links- wie bei Rechtshändern. Durch eine zusätzliche Umschulung der Händigkeit werden aber diese Schwierigkeiten, wie die Praxis zeigt, noch unverhältnismäßig verstärkt.

Die Umschulung der Händigkeit greift also in Gehirnablaufsprozesse störend und behindernd ein und zwingt den Menschen, andauernd weit mehr Kräfte einzusetzen, um seine Intelligenz zu mobilisieren, als ein unbehinderter, von den Folgen der Umschulung der Händigkeit nicht betroffener Links- oder Rechtshänder benötigt.

Die Intelligenz selbst wird nicht vermindert, jedoch ihre Manifestation gestört, z.B. beim Formulieren und Ausdrücken der Gedanken, beim Abrufen von Lerninhalten in Schrift und Sprache, und so kommt es andauernd zu einem erhöhten Kräfteeinsatz (1).
Alter der Händigkeitsmanifestation
In älteren Publikationen findet man oft den Hinweis, dass sich bei Kindern die Linkshändigkeit erst im Alter von vier bis fünf Jahren manifestieren würde, ja sogar, dass die Kinder zuvor stets beidhändig hantieren und sich dann für die Links- oder Rechtshändigkeit entscheiden würden.

Inzwischen hat sich aber durch die direkte und sehr breit gefächerte Verbindung zur Praxis, vor allem durch systematische Beobachtung und Untersuchung von heterogenen Gruppen linkshändiger Kinder herausgestellt, dass viele dieser Kinder weit früher eindeutig linkshändig greifen, essen, malen, die Hand geben und wesentliche Tätigkeiten mit ihrer linken Hand ausführen und dass es überhaupt nicht zwingend zum Wechseln der bevorzugten Hand kommt. Das gleiche gilt für Rechtshänder.

Das Alter, in dem Linkshändigkeit oft schon feststellbar ist, ohne dass man Gefahr einer Fehldiagnose, z.B. durch die Auswirkungen einer nicht erkannten Hemiparese läuft, liegt bei 12 bis 16 Monaten. Manche Eltern beobachten auch schon früher den eindeutig bevorzugten Gebrauch der linken Hand bei ihrem Kind, allerdings aus oben genannten Gründen sollte diese Bevorzugung vermerkt, aber noch nicht als endgültige Diagnose festgelegt werden.

Es wäre also wichtig, alle Eltern von Anfang an vor einer Beeinflussung der Händigkeit ihres Kindes zu warnen, denn manche Kinder stellen sich durch Nachahmungs- und Modellverhalten sehr früh auf die Wünsche der Umwelt ein und gerade die wachen und intelligenten Kinder können hier leicht falsch in ihrer Händigkeit beeinflusst werden.

Zur Diagnose der Händigkeit
Bei eindeutig links- oder rechtshändigen Kindern ist eine Händigkeitsdiagnose nicht sonderlich schwierig. Aber auch hier sollten keine Schnelltests durchgeführt werden, da man immer Gefahr läuft, dass aus irgendeinem nicht angesprochenen Grund das Kind gerade für die untersuchte Tätigkeit die nicht dominante Hand benutzt. Besonders ist auf mögliche erzieherische Einflüsse, auf Modell- und Nachahmungsverhalten und auf durch technische Vorrichtungen und asymmetrische Gebrauchsgegenstände (wie z.B. die Schere) geprägte Tätigkeiten zu achten.

Auch über die Beobachtung der Füßigkeit kann man leicht zu einer falschen Einschätzung kommen, da die Füße weit weniger für feinmotorische Tätigkeiten benutzt werden und beim Gebrauch von beiden Füßen (z.B. beim Fußball Spielen) nicht immer sicher zu sagen ist, welcher Fuß wichtiger für das jeweilige Kind ist. Kämpft es mit Gleichgewichtsstörungen, kann das Standbein anfangs weit wichtiger sein als der Fuß, mit dem gekickt wird.

Eine Präferenz bei den Augen (Äugigkeit) und Ohren (Ohrigkeit) wird heute immer weniger mit der Dominanz der Hände in einer funktionalen Beziehung gesehen (2).

Ein Kurztest, durch den der Arzt schnell die Händigkeit zu diagnostizieren versucht, ist ein sehr gefährliches Unterfangen und kann, wie in dem oben geschilderten Fall von Max, Eltern in noch größere Zweifel und Verwirrungen stürzen.

Auch die wenigen nur zum Teil normierten Händigkeitstests versagen bei manchem Kind völlig, da bei zum Malen umgeschulten linkshändigen Kindern in solchen Tests gerade die manipulierte Tätigkeit gemessen wird und es so zu Fehlern kommt.

Allerdings wird immer deutlicher, dass der wechselnde Handgebrauch als diagnostisches Merkmal für Teilleistungsstörungen bzw. Entwicklungsverzögerungen herangezogen werden kann, die behandlungsbedürftig sind, auch wenn diese bei manchen Kindern kaum auffallen oder gerade bei Mädchen manchmal ziemlich gut kompensiert zu sein scheinen (3).

Auch die bildgebenden Methoden, wie z.B. EEG, Computertomographie, Kernspintomographie, Positronen-Emissions-Tomographie, Magnetenzephalogramm, Magnetstimulation u.ä., sind bisher kaum zur Händigkeitsdiagnose eingesetzt worden und bei den wenigen Untersuchungen wurden meist nicht eindeutige Gruppen von nicht umgeschulten und umgeschulten Linkshändern im Vergleich mit Rechtshändern exploriert.

Eine gründliche Händigkeitsdiagnostik umfasst oft einen Zeitraum von zwei bis drei Stunden. Im Rahmen einer therapeutischen Diagnostik, z.B. beim Ergotherapeuten, sind oft mindestens zehn Stunden dazu notwendig.

Fazit: Eine Händigkeitsdiagnose sollte immer verschiedenste Tätigkeiten beobachten und Händigkeitstests berücksichtigen. Die Ergebnisse sind dann in Bezug zu setzen mit

  • dem Entwicklungsstand des Kindes,
  • möglichen Krankheiten und Störungen des Kindes und
  • möglichen Irritationen der Händigkeitsentwicklung durch die Umwelt (Familie, Bekannte, Kindergarten, Spielkameraden),
  • Einfluss von Modell- und Nachahmungsverhalten,
  • Händigkeit in der Familie.

Flächendeckende Prävention
Um linkshändigen und letztendlich auch rechtshändigen Kindern eine möglichst freie Händigkeitsentwicklung zu garantieren und irritierende Einflussnahmen auf die Händigkeit zu verhindern, stünde uns in Deutschland als flächendeckende Präventionsmöglichkeit das medizinische Vorsorgeheft zur Verfügung.

Im Alter von 18 bis 24 Monaten ist bei vielen Kindern der Handgebrauch schon ziemlich stabil und es wäre sinnvoll, in diesem Alter den bevorzugten Handgebrauch abzufragen und in das Heft einzutragen. Ein kurzes Informationsblatt könnte die Eltern darauf hinweisen, dass sie keinen Einfluss auf die Händigkeit nehmen dürfen, dass viele Kinder bereits in diesem Alter ihre Händigkeit eindeutig manifestieren und dass es sinnvolle Gebrauchsgegenstände (z.B. Scheren) für Linkshänder gibt. Bezugsquellen für Gebrauchsgegenstände und Literaturtipps könnten die vorläufigen Bedürfnisse abrunden (4).

Eltern von Kindern, die noch im Handgebrauch wechseln, sollten vor einer Einflussnahme gewarnt werden.

Das Alter von 4,5 bis 5 Jahren (U 8) wäre die geeignete Zeit, um den bevorzugten Handgebrauch nochmal zu erfragen. Wenn das Kind immer noch unsicher ist, sollte es zur genaueren Abklärung in Ergotherapie oder in eine heilpädagogische oder motopädische Praxis geschickt werden. Bei dieser Abklärung sollte auch auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Teilleistungsstörungen aus dem fein- und grobmotorischen und wahrnehmungsmäßigen Bereich und dem wechselnden Handgebrauch geachtet werden. Sich eventuell zeigende Defizite oder Entwicklungsverzögerungen müssen unbedingt behandelt werden. Oft kommt es im Laufe einer derartigen Therapie auch zu einer Stabilisierung des Handgebrauchs.

Da zur Einschulung die Schreibhand feststehen sollte, denn es ist für die Belastung im Gehirn nicht gut, wenn das Kind andauernd beim Schreiben hin und her wechselt, wäre die U 8 der günstigere Zeitpunkt als die inhaltlich mehr entsprechende U 9. Letztere wird oft ziemlich kurz vor der Einschulung durchgeführt, so dass einem Therapeuten nicht genügend Zeit für eine ausreichende Behandlung von Entwicklungsdefiziten bleibt. Oft ist es sehr wichtig, zunächst in ganz anderen Bereichen therapeutisch zu arbeiten (z.B. an der Stimulation und Regeneration des vestibulären Systems) und die Frage der Händigkeit für einige Zeit völlig außer acht zu lassen. Manchmal ist dazu bis zu einem Jahr notwendig und diese Zeit fehlt oft, wenn erst bei der U 9 auf unstabilen Handgebrauch geachtet wird.

Fazit: Von einem Kurztest zur Händigkeitsdiagnostik – ob in der Arztpraxis oder durch andere Berufsgruppen – sollte Abstand genommen werden. Eine Erhebung der eindeutig linkshändigen Kinder und der Kinder mit wechselndem Handgebrauch erscheint sehr sinnvoll, sowie eine therapeutische Behandlung der bei unstabilem Handgebrauch meist auftretenden Teillistungsstörungen.

Checkliste zur Händigkeitsbeobachtung anlässlich der Einschulungsuntersuchungen
Überlegungen zu einer geeigneten Checkliste zur Händigkeitsbeobachtung anlässlich der schulärztlichen Untersuchung bei der Einschulung sind jedoch äußerst aktuell.

Zwar kommt dann für manches Kind eine umfassende Hilfe fast zu spät, trotz allem wäre es sinnvoll, vergleichbare kurze und valide Test- bzw. Beobachtungsmöglichkeiten der Händigkeit zu diskutieren und durchzuführen. Das ist auch aus dem Grund wichtig, weil manche Familie in bester Absicht ihr linkshändiges Kind doch auf die rechte Hand umgeschult hat und das fällt nicht auf, wenn das Kind nur etwas malen soll.

Es werden folgende drei Tätigkeiten als Beobachtungskriterien in Betracht gezogen, die zwar nicht normiert, aber doch leicht durchführbar und vergleichbar sind:

  • kreiseln: Einen kleinen Kreisel mittig vor das Kind legen.
  • Zähne putzen: Sich mit Gesten vormachen lassen, wie sich das Kind die Zähne putzt, z.B. von rot nach weiß, kreisend. Das ist eine medizinisch relevante und in diesem Zusammenhang nicht überraschende Frage.
  • Zitterturm aufbauen in einer etwas abgewandelten Form des Spiels vom Ravensburger Verlag (5): Auf eine fest fixierte Plattform von ca. 3 cm Durchmesser soll das Kind bunte Plastiksteine auflegen, entsprechend der vom Arzt gewürfelten Farben. Gleichzeitig bekommt man hierbei sowohl einen Eindruck von den feinmotorischen Fertigkeiten des Kindes als auch von seiner Fähigkeit, Farben zu unterscheiden und zu benennen. Das sind wieder einen Arzt möglicherweise interessierende Fragen, die ein Kind, das versucht eine bestimmte Händigkeit vorzutäuschen, nicht misstrauisch werden lässt.

Linkshändige und umgeschulte linkshändige Kinder zur Konsultation beim Arzt
In der Arztpraxis bei Vorschul- und Schulkindern ist die Linkshändigkeit des Kindes weit weniger ein Thema. Da reicht es oft auf Literatur zur lockeren Schreibhaltung und auf Bezugsmöglichkeiten von Linkshandgebrauchsgegenständen hinzuweisen (4).

Weit eher werden Ärzte mit umgeschulten linkshändigen Kindern und Jugendlichen konfrontiert, die an Schulproblemen und psychosomatischen Folgeerscheinungen leiden. Die sich oft anschließende Frage nach einer Rückschulung der Händigkeit auf den Gebrauch der dominanten Hand zum Schreiben ist aber äußerst komplex, und relativ wenige Therapeuten und Pädagogen haben hier ausreichend Wissen und Erfahrungen. Da es sich bei einer Rückschulung der Händigkeit wieder um einen Eingriff ins Gehirn handelt, sollte man sehr vorsichtig sein, um nicht weitere negative Folgen hervorzurufen und nicht sozusagen mit dem Gehirn des Kindes und Jugendlichen zu experimentieren.

Bei Jugendlichen kommt noch die allgemeine körperliche und psychische Belastung durch die Pubertät hinzu und ihre schon lange automatisierten Handlungsabläufe beim Schreiben, die wegen zunehmend größeren Anforderungen in der Schule sich nicht einfach wieder umstellen lassen (6).

Die Händigkeitsdiagnose bei Max
Die Frage nach der Händigkeit von Max beschäftigte die Mutter aber so stark, dass sie ihren Sohn bei Händigkeitsspezialisten vorstellte. Dort zeigte sich in einer ausführlichen Diagnostik, dass er Linkshänder ist, jedoch bei manchen, auch spontanen Tätigkeiten im Handgebrauch wechselt.

Er selbst bezeichnet sich als beidhändig und rechtshändig, hielt dabei aber überzeugt die linke Hand nach oben, mit der er auch durchgehend gemalt hatte. Leichte feinmotorische Probleme wurden festgestellt, aber zunächst sollte eine logopädische Behandlung durchgeführt werden.

Schreiben und Malen soll er ab sofort konsequent mit der linken Hand und Übungshinweise zu einer lockeren Schreibhaltung wurden gegeben.

Die Schulärztin hatte recht gehabt, als sie in dem wechselnden Handgebrauch bei Max eine Schwierigkeit für die Schule sah, jedoch sollten solchen Kindern wie Max eigentlich schon früher Hilfestellungen angeboten werden, um ihre Händigkeit angemessen zu stabilisieren.

Zusammenfasung
Erörtert wird das Phänomen des frühzeitigen stabilen Handgebrauchs bei links- und rechtshändigen Kindern (1. bis 2. Lebensjahr) sowie der wechselnde, unstabile Handgebrauch bei anderen Kindern (manchmal bis zur Einschulung). Ein Vermerk im medizinischen Vorsorgeheft könnte sinnvolle prophylaktische Maßnahmen in Gang bringen.

Eine kurze Checkliste bei der medizinischen Einschulungsuntersuchung könnte schließlich einzelne Kinder davor bewahren als umgeschulte Linkshänder schreiben zu lernen, aber sie ersetzt nicht präventive Maßnahmen und Aufklärung der Eltern.

Eine Rückschulung der Händigkeit auf die dominante Hand ist nur eine Notmaßnahme, wobei wir prognostisch oft wenig über ihren Erfolg voraussagen können.

Schlüsselwörter:
Linkshändigkeit, Umschulung der Händigkeit, medizinisches Vorsorgeheft

 

Diagnosis of Handedness, a Measure of Medical Prevention? Left-handed and Converted Left-handed Children and Young People

Summary
Among the topics discussed are the early dominance of one hand in left-handed and right-handed children respectively (first until second year of life), as well as the changing, unstable use of hands by other children (often until they start school). A comment on this phenomenon in a child’s medical file might enable purposeful preventive measures.

A brief checklist forming part of the medical examination for school enrolment may spare some left-handed children the fate of learning to write with the right hand (i.e. as converted left-handers). In addition, however it is necessary to initiate preventive measures and instruct parents thoroughly.

No prognosis can be made whether or to what degree a reconversion to the dominant hand can be successful.

Key words:
left-handedness, conversion of handedness, child’s medical file

Literatur
(1) Sattler, J.B. (1995) Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn. 2000, 6. Auflage, Auer Verlag, Donauwörth, 49 f.
(2) Springer, S., Deutsch, G. (1995) Linkes Gehirn/Rechtes Gehirn. Funktionelle Asymmetrien. 3. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 142 f.
(3) Sattler, J.B. (1993) „Beidhänder“ sind hirngeschädigt. Münchener Medizinische Wochenschrift, 135, 21: 291/35-294/40. Wiederabgedruckt in: Sattler, J.B. (1995) Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn, 350-356
(4) Sattler, J.B. (1996) Übungen für Linkshänder. Schreiben und Hantieren mit links. 2000, 5. Auflage, Auer Verlag, Donauwörth, 65 ff. und 70 ff. Infomaterialien und eine Laden- und Versandliste, wo Linkshandprodukte zu erwerben sind, bekommt man gegen 4,40 DM in Briefmarken von der Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder (Sendlinger Str. 17, 80331 München) zugeschickt.
(5) Zitterpartie. (1996) Ravensburger Spielverlag, Nr. 23 039 6; leider zur Zeit vergriffen.
(6) Sattler, J.B. (1995) Der umgeschulte Linkshänder. 143 ff.. Eine wissenschaftliche Studie über rückgeschulte Linkshänder ist in Vorbereitung.

 

Dr. Johanna Barbara Sattler
Erste deutsche Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder
Sendlinger Str. 17
80331 München
https://lefthander-consulting.org

Red: Olbing

In: KINDER- UND JUGENDARZT, Zeitschrift des Berufsverbandes der Ärzte für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Deutschlands e.V., 32. Jg. (2001) Nr. 2, S. 139-147

© Copyright: Dr. Johanna Barbara Sattler, Erste deutsche Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder, Sendlinger Str. 17, 80331 München, Tel. / Fax: +49 / 89 / 26 86 14
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