LehrplanPLUS Grundschule Bayern

Linkshändigkeit im „LehrplanPLUS Grundschule. Lehrplan für die bayerische Grundschule“ von 2014 (1) & Kommentar zur Linkshändigkeit

Zusammengestellt von der Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder, München

Fachprofil Deutsch

Über Schreibfertigkeiten verfügen
Die Schülerinnen und Schüler schreiben anfangs eine unverbundene Schrift (Druckschrift). Sobald sie motorische Sicherheit und Routine im Lesen und Schreiben erlangt haben, erfolgt die Einführung einer verbundenen Schrift (Vereinfachte Ausgangsschrift oder Schulausgangsschrift), mit der Schreibtempo und Schreibflüssigkeit erhöht werden. …

Die Lehrkraft begleitet die Schreibentwicklung aller Schülerinnen und Schüler und unterstützt sie durch gezielte individuelle Hinweise sowie Hilfestellungen, insbesondere auch, was die Entwicklung der Rechts- oder Linkshändigkeit betrifft. Die Schülerinnen und Schüler verfeinern nach Beratung durch die Lehrkraft ihre Schreibmotorik, indem sie vorteilhafte Bewegungsabläufe, alternative Buchstabenformen sowie ökonomische Verbindungen zwischen den Buchstaben erproben und einüben. Sie achten beim Schreiben auf eine günstige Körperhaltung, auf die Lage des Papiers sowie auf die Haltung des Schreibgeräts und der ganzen Hand. … (S. 46-47)

Fachprofil Kunst
… Auf die Unterstützung der Linkshänder im Kunstunterricht ist besonders zu achten. So sollen Linkshänder etwa beim Benutzen von grafischem Werkzeug spezielle, für Linkshänder geeignete Techniken erlernen. Entsprechende Materialien und Werkzeuge ermöglichen die erfolgreiche Teilhabe. (S. 98)

Fachprofil Mathematik
… Die Weiterentwicklung der persönlichen Handlungsfähigkeit der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird beispielsweise unterstützt durch den Einsatz von geeigneten Arbeitsmitteln oder durch offene Aufgabenstellungen, die das Arbeiten auf individuellem Niveau ermöglichen, ohne zu einer Vereinzelung von Lernenden zu führen. Die angestrebten Kompetenzen orientieren sich dabei an den Lehrplänen für den jeweiligen Förderschwerpunkt. Schülerinnen und Schüler mit dominanter linker Schreibhand erhalten angemessene Hilfestellungen. (S. 105)

Fachprofil Werken und Gestalten
… Im bewussten Umgang mit verschiedenen Materialien entwickeln und verfeinern die Kinder der Grundschule ihre Wahrnehmungs- und Vorstellungskraft, ihre individuelle Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeit sowie ihre Grob- und Feinmotorik. Der Unterricht im Fach Werken und Gestalten nimmt dabei Rücksicht auf die unterschiedlichen individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler. Die Weiterentwicklung der persönlichen Handlungsfähigkeit der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird durch in der Komplexität reduzierte Aufgabenstellungen, visualisierte Arbeitsschritte oder spezifische Hilfsmittel (z. B. Therapeutenschere, Strickring) unterstützt. Die dabei angestrebten Kompetenzen orientieren sich an den Lehrplänen für den jeweiligen Förderschwerpunkt. Linkshänder werden etwa durch entsprechende Werkzeuge (z. B. spezielle Schere) in ihrem Tun bestärkt. Ein häufiger Wechsel der Materialien und Techniken motiviert die Schülerinnen und Schüler zu Offenheit gegenüber allen Bereichen des Faches. (S. 124)

Fachlehrpläne – Grundschule     Deutsch 1/2       Lernbereich: Schreiben
Die Schülerinnen und Schüler …

  • schreiben mit ihrer dominanten Schreibhand deutlich, sicher sowie in angemessener Geschwindigkeit und halten Abstände ein.
  • schreiben eine unverbundene Schrift geläufig und gut lesbar, ausgehend von den Richtformen der Druckschrift.
  • schreiben flüssig und geläufig eine gut lesbare verbundene Schrift, ausgehend von den Richtformen der Vereinfachten Ausgangsschrift oder der Schulausgangsschrift.
  • passen Körper-, Stift- und Handhaltung sowie Lage der Arbeitsmaterialien auf dem Tisch der dominanten Schreibhand an, um flüssiges Schreiben zu unterstützen.
  • verwenden für unterschiedliche Schreibflächen und Schreibzwecke geeignete Schreibwerkzeuge und passen ihre Druckstärke an, um eine lockere Stifthaltung zu erreichen und anstrengungsfrei zu schreiben. (S. 156)

Fachlehrpläne – Grundschule     Musik 1/2       Lernbereich: Sprechen – Singen – Musizieren
Die Schülerinnen und Schüler…

  • wenden einfache Spieltechniken und Begleitformen auf dem Orff-Instrumentarium unter Berücksichtigung von Links- oder Rechtshändigkeit an. (S. 288)

Fachlehrpläne – Grundschule     Musik 3/4       Lernbereich: Sprechen – Singen – Musizieren
Die Schülerinnen und Schüler …

  • ….
  • wenden erweiterte Spieltechniken und Begleitformen auf dem Orff-Instrumentarium unter Berücksichtigung von Links- oder Rechtshändigkeit (S. 291)

(1) Der „LehrplanPLUS Grundschule. Lehrplan für die bayerische Grundschule“ wurde mit Verfügung vom 18.05.2014 (Az. IV.1 – 5 S 7410.1 – 4b. 1004) für verbindlich erklärt. Er gilt ab dem Schuljahr 2014/2015 in den Jahrgangsstufen 1 und 2, ab dem Schuljahr 2015/2016 in Jahrgangsstufe 3 und ab dem Schuljahr 2016/2017 in Jahrgangsstufe 4.

Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Ref. Öffentlichkeitsarbeit, Salvatorstraße 2, 80333 München

https://www.lehrplanplus.bayern.de/sixcms/media.php/107/LehrplanPLUS%20Grundschule%20StMBW%20-%20Mai%202014.pdf

Zugriff: 06.08.2014

Hinweis: Die Hervorhebungen der Textstellen zur Linkshändigkeit werden in diesem Auszug gemacht und finden sich nicht im offiziellen Lehrplan.

 

Kommentar zur Linkshändigkeit im „LehrplanPLUS Grundschule“ in Bayern 2014 

Aus dem Gesichtspunkt der Linkshänder-Beratung muss mit einigem Bedauern festgestellt werden, dass auch in Bayern, der auf den sogenannten Kompetenzerwerb orientierte Lehrplan Einzug in die Pädagogik gehalten und den vorherigen, sehr differenziert gegliederten Lehrplan, abgelöst hat. Dadurch fallen wichtige Textstellen für den Umgang mit linkshändigen Kindern und ihrer besseren Integration ersatzlos weg.

  1. Verschwunden ist der Hinweis, dass „Linkshänder… nicht zum bevorzugten Gebrauch ihrer nicht dominanten Hand angehalten werden“ dürfen und dass die „angeborene Händigkeit“ nicht „umgeschult werden“ darf.
  2. Entfallen ist auch der Hinweis, dass „Kinder mit Schwierigkeiten beim Schreiben“ … „spezifische Beratung und fachliche Hilfe“ benötigen, „besonders Kinder, deren Händigkeit noch nicht klar zu erkennen ist.“
  3. Negativ zu vermerken ist auch der Wegfall von dem Hinweis darauf, dass „für Linkshänder Buchstaben und Wörter auch am rechten Rand“ vorgeben werden sollen.
  4. Herausgenommen wurde auch der direkte Hinweis, dass besonders Linkshänder „von Anfang an eine günstige Blattlage, Stift- und Handhaltung einüben“ sollen, „die eine lockere Schreibhaltung ermöglichen und das Verwischen vermeiden“.
  5. Was sich die Verfasser des neuen Lehrplans bei der besonderen Erwähnung der Berücksichtigung von Links- und Rechtshändigkeit bei den Orff-Instrumentarium gedacht hat, bleibt uns verborgen. Gerade diese Instrumente können sehr gut mit der linken Hand gespielt werden und hier ist eine Erwähnung nicht unbedingt notwendig.
    Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie mit den oft in der Grundschule gespielten Blockflöten umzugehen ist. Diese wird leider nicht thematisiert.

Die Folge von Punkt 3 wird sein, dass sich Verlage nicht mehr veranlasst fühlen, die Buchstaben auch auf die rechte Seite zu setzen und Lehrer wieder freie Hand haben, diese Hilfestellung, in ihrer, auf Rechtshänder ausgerichteten Sichtweise zu vernachlässigen. Eltern haben nun nicht mehr die Möglichkeit auf diese Vorgabe im Lehrplan hinweisen zu können, die sie ein Stück souveräner machten, dass konkrete Bedürfnisse für ihr linkshändig schreibendes Kind auch eingehalten werden. Nun sind sie wieder völlig auf den Gutenwillen und die Einsicht des Lehrers angewiesen, der ihnen sowieso meist vermittelte, dass sie sich keine Sorgen zu machen bräuchten, die Schule würde das schon hinbekommen. Wenn dann doch die Hakenhaltung nach der 2. Klasse dabei herauskam, wurde auf prominente Beispiele, wie z.B. Präsident Obama, mit seiner massiven Hakenhaltung verwiesen, aus dem doch auch etwas geworden sei.

Mehrfach wird Linkshändigkeit auch textlich nahe mit Passagen über sonderpädagogischen Förderbedarf erwähnt. Das mag reiner Zufall sein, rückt aber linkshändige Kinder wieder in die Nähe von Behinderung und Sonderförderung.

Diese Veränderungen empfinden wir als sehr bedauerlich und als einen Rückschritt für die linkshändigen Schülerinnen und Schüler und ihre Interessen an einer adäquaten Entwicklung entsprechend ihrer Händigkeit.

Es ist schade, dass Kontaktversuche von unserer Seite mit den Verantwortlichen für die Konzeption des neuen Lehrplans nicht aufgegriffen wurden und kein Interesse an einem Austausch bestand.

Trotz allem ist zu überlegen, ob wir, im Zuge der Neubearbeitung des „Rahmenlehrplans für den Förderschwerpunkt Lernen“, der 2015 in Kraft treten soll, den Verantwortlichen vorschlagen, dass für den speziellen Umgang mit Linkshändern ein eigenes Kapitel geschrieben wird. Dann könnten LehrerInnen die Informationen an einer Stelle gesammelt finden und die Hinweise zum Umgang mit linkshändigen Kindern wären nicht mehr so unübersichtlich verteilt, wie derzeit, wo man eher zufällig darauf stößt. Im Zusammenhang mit den Diskussionen um Förderung und Inklusion wäre das bedenkenswert.