Alan Cizek
Eine etwas andere Intepretation des „Magischen Dreiecks“ (1)
Giovane Elber ist ein begnadeter Fußballspieler. Aus dem Land der Ballzauberer (2) kam er vor vier Jahren (1994) nach Deutschland, um der Bundesliga seine Spielkunst zu zeigen. Gerade für den VfB Stuttgart und für seine Fans war er Gold wert. Seine Dribblings, seine Schußstärke, seine Tricks und seine Tore waren schon eine Augenweide. Er trug maßgeblich dazu bei, dass der Club 1997 sich den DFB-Pokal holte.
Unter Fachleuten und unter den Fans galt Giovane als der beste Spieler der Bundesliga. Durch seine hervorragende Spielweise wurde unter anderem auch der FC Bayern München auf ihn aufmerksam und dieser kaufte ihn für eine Rekordsumme (ca. 12 Millionen). Man erhoffte sich von ihm, dass der FC Bayern München dadurch noch erfolgreicher werden könnte. Aber schon nach den ersten Bundesligaspielen kam die Ernüchterung: schwache Spiele, wenig Tore, kaum gelungene Dribblings und das Wichtigste, kaum Spielfreude.
Wie konnte das geschehen?
War der Münchner Föhn daran schuld? Oder die Weißwürste und das Bier? Wohl kaum! Eher wahrscheinlich die Spielweise von München. In Stuttgart konnte Giovane sich richtig entfalten. Mit seinem linksfüßigen Freund Kassimir Balakow und seinem rechtsfüßigen Freund Fredi Bobic bildete er das sogenannte „Magische Dreieck“. Er verstand sich mit diesen Kameraden förmlich blind. Ein kleines Zeichen mit dem Finger oder ein Augenwink und die anderen Spieler wußten, welcher Spielzug zu machen ist.
Sicher, eine gewisse Gewöhnungszeit braucht jeder. Aber beim FC Bayern München dauerte es lange, bis er einen kongenialen Spielpartner fand. Bei der Mannschaft fehlte ihm das „Magische Dreieck“. Leider gingen so einige Spiele verloren, die seinen Marktwert etwas sinken ließen und seinen Traum, in die brasilianische Nationalelf zu kommen, in weite Ferne rückte.
Das Beispiel Giovane Elbers ist typisch für einen Linksfüßer/Linkshänder. Wenn man ihn sich frei entfalten läßt, kann er einer der besten Spieler der Welt sein. Wenn er aber keine ihm entsprechenden Mitspieler hat, die auf seine Art richtig reagieren und die zueinanderpassen, dann wirkt er, trotz aller Bemühungen, wie ein Fremdkörper und wird so häufig ausgewechselt, bis er frustriert einen anderen Club suchen will.
Fußball ist zwar ein Mannschaftssport, aber große Spieler müssen immer wieder mal eigene Wege gehen und gerade das macht sie berühmt und auch gefürchtet. Linksfüßer sind häufig ausgeprägte Individualisten und brauchen bestimmte Freiheiten, um sich zu entfalten. Auch Giovane Elber braucht diese Freiheiten, die er beim VfB Stuttgart oft bekommen hat, bei den Bayern größtenteils aber nicht.
Linkshänder/Linksfüßer sind oft ein bißchen genial, aber auch ein bißchen exzentrisch, wie das Beispiel Maradona zeigt, dessen Eskapaden berühmt sind: Genialer Spieler, aber auch ein schwieriger Charakter.
„Händigkeit ist Hirnigkeit“ sagt Frau Dr. Sattler in ihrem Buch „Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn„. Das gleiche gilt für die Füße!
Jeder hat einen dominanten Fuß. Beidhänder und Beidfüßer gibt es in dem Sinne nicht, dass beide Füße oder Hände gleich gut in der gleichen Tätigkeit sind. Meist sind dann beide eher schlecht.
„Den anderen Fuß hat er nur dazu, damit er nicht umfällt“ heißt eine Floskel, die von vielen Reportern immer wieder zitiert wird. Um dies zu verhindern, setzen manche Trainer das absurde Argument in die Praxis um, schon bei den
Jüngsten, bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten den schwächeren Fuß verstärkt zu trainieren, damit die Spieler zwei gleich starke Füße bekommen. Beidfüßigkeit habe zwar den theoretischen Vorteil, jede Position spielen zu können und damit den Gegner zu verwirren und im Bedarfsfall einen Mannschaftskameraden auf jeder Position zu ersetzen. Aber auch das ist eine unzulässige Umschulung! Denn das bedeutet nichts anderes, als den dominanten Fuß zu schwächen und den andere möglicherweise zu überfordern. Außerdem wird dabei oft vergessen, dass auch die eigenen Spieler verwirrt werden können (gerade bei den Anfängern), wenn sich einer bei jedem Spiel anders verhalten muss.
Wie viele gerade unter den jüngeren Spielern scheitern an dem beidfüßigen Training und wenden sich enttäuscht von diesem Sport ab?
Wie mittlerweile bekannt ist, steuert die rechte Gehirnhälfte vornehmlich die linke Körperseite. Also den linken Arm, die linke Hand, die linke Hüfte, das linke Bein, das linke Knie und den linken Fuß. Und die linke Gehirnhälfte macht das genau andersherum. Die Nervenbahnen kreuzen sich also einmal. Wenn man nun den falschen Fuß trainiert, aber die richtige Händigkeit hat, dann kommt es zu Belastung der nicht dominanten Gehirnhälfte und wenn es sich um einen Profispieler handelt, dann ist es eine andauernde Falsch- und unnötige Überbelastung des Gehirns. In der Praxis zeigen sich dazu unter Streß gravierende Fehlleistungen.
Deshalb sollten die Trainer, besonderes bei den Nachwuchsspielern, den dominanten Fuß fördern, damit die Kinder nicht durcheinander kommen, sich nachteilige Automatismen einüben und später versehentlich mit dem „falschen Fuß“ spielen.
Die möglichen Folgen:
- Die Freude am Fußballspielen geht verloren,
- Fehlleistungen bei größerer Belastung und hohen Anforderungen.
So kann man ein eigentlich großes Talent verlieren, was für die derzeitige Situation im Nachwuchsbereich des deutschen Fußballs nicht gerade förderlich ist.
Deswegen wäre es gut, dass der Trainer ein Gespräch mit den Eltern führt, welche Seite beim Kind die stärkere ist, damit sie dann darauf achten, dass erstens nichts falsch gemacht wird und zweitens diese besonders fördern. Denn Linksfüßer können genauso geniale Fußballer werden, wie Pele, Maradona, Balakow oder Elber.
Interessant wäre die Frage, ob Menschen mit umgeschulter Linkshändigkeit und nicht umgeschulter Linksfüßigkeit insgesamt schlechtere Fußballspieler sind, als nicht umgeschulte Linkshänder. Allerdings werden wir hier das Problem mit der Zuordnung haben, denn wir werden kaum messen können, wie der Fußballer ohne die Umschulung der Händigkeit gespielt hätte und zudem darf nie vergessen werden, dass ob Rechts- oder Linksfüßer, ein Talent für den Sport gehört dazu und die besten Fähigkeiten vieler Linkshänder räumlich zu verarbeiten und wahrzunehmen nützen beim Fußball wenig, wenn keine sportliche Begabung hinzukommt.
Anmerkungen:
- Left Hand Corner, Nr. 04 07-1998, S. 27-31.
- Für Leute, die nicht wissen wo das liegt: Brasilien
Alan Cizek, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänsr und umgeschulte Linkshänder e.V., Sendlinger Str. 17, 80331 München
Aus: Left Hand Corner, Nr. 04 07-1998