Rezension: Händigkeit und Instrument von Dr. Andrea Arnoldussen

 

 

Andrea Arnoldussen:

Händigkeit und Instrument
Wie machen Linkshänder Musik?“

 

Schott Music Verlag, Mainz, 2020
Hardcover mit mehrfarbigen Bildern
228 Seiten, Preis 22,99 €

Schon das Cover dieses Buches mit dem musizierenden Engel ist liebevoll ausgesucht und verspricht viele praktische und einfühlsame Gedanken und Auseinandersetzungen mit dem gewählten Thema.

Dr. Andrea Arnoldussen hat ein sehr interessantes Buch zum Thema Händigkeit und Instrument geschrieben. Sie ist als Musikerin nach einem Studium der Musik- und Literaturwissenschaft auch ausgebidet als Musiktherapeutin und psychologische Beraterin sowie als zertifizierte Linkshänder-Beraterin S-MH®. Sie ist tätig in der Musikalischen Früherziehung und im Musikgarten sowie als Klavierlehrerin. Sie ist zudem Mutter einer Hobbycellistin.

Auf Grund dieser vielen Erfahrungen sowie als rückgeschulte Linkshänderin, legt sie ein authentisches Buch vor, das sehr spannend zu lesen ist und mit viel Empathie und Fachkenntnis geschrieben wurde.

Das Buch überzeugt durch ein sehr gut strukturiertes Vorgehen. Es gibt ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, das eine gut nachvollziehbare Übersicht über die behandelten Gedanken enthält und aus dem gleich hervorgeht, welche Prioritäten Arnoldussen in der Auseinandersetzung mit dem Thema Händigkeit und Musikinstrument der Linkshändigkeit gibt. Die durchgehenden Literaturhinweise auf den Seiten als Fußnoten erleichtern die Orientierung beim Lesen und machen deutlich, wie viele Hinweise, Zitate und Querverweise Arnoldussen zu verschiedenen anderen Autoren benützt hat; hier sind vorrangig Sattler, Mengler und Hildebrandt zu nennen. Ein sehr ausführliches Verzeichnis der benützten Literatur und -Internetrecherche runden das Buch ab.

Die allgemein gehaltene, theoretische Einführung in das Thema Händigkeit umfasst neben entwicklungsphysiologischen auch viele neurologische Informationen. Sehr gut nachvollziehbar finde ich die Darstellung unterschiedlicher Händigkeitsabklärungen mit Hinweisen zur Interpretation und daraus abgeleitetem weiteren Vorgehen. Arnoldussen berücksichtigt besonders die Umschulung der Händigkeit zum Schreiben und Folgen einer Umschulung mit Hinweisen auf folgende Kapitel, in denen die Autorin intensiv auf die Umschulungsfolgen des Musizierens eingeht.

Mir hat diese Einführung besonders gut gefallen, weil mit sehr viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen die Situation kleiner und großer umgeschulter Menschen beschrieben wird und deren physischen und psychischen Nöte dargestellt werden.

Auf diese Schwierigkeiten wird immer wieder Bezug genommen und hingewiesen im Verlauf der folgenden Kapitel, wenn es um die Probleme geht, die ein Musiker hat, besonders, wenn er mit der „falschen Hand am falschen Instrument“ spielt, spielen soll/muss oder spielen will.

Aber es wird auch ausführlich auf mögliche Hilfestellungen hingewiesen, zum einen für ein „gesundes“ Spielen, wie Arnoldussen es nennt, aber auch zur Handhabung einzelner Instrumente, wenn es erforderlich ist.

Sehr interessant ist die Überlegung von Arnoldussen, wie sie sich über Rückschulung von Musizieren auf links und gleichzeitiger Rückschulung zum Schreiben auf links äußert. Die Gedanken dazu sind im Alltag der Linkshänder-BeraterInnen noch viel zu wenig präsent, sind aber durchaus beachtenswert, wenn ein Kind oder Erwachsener zum Beispiel in einer Phase der Rückschulung zum Schreiben ist. Aber auch über die Situation, wenn jemand ohne Rückschulung zum Schreiben ein Musikinstrument mit links spielen möchte, wird gesprochen.

In der Arbeit als Linkshänder-Beraterin/Linkshänder-Berater ist dieses Buch unbedingt zu empfehlen und jeder kann und sollte es auch selber zu Rate ziehen, wenn es Überlegungen/Beratungen und Entscheidungen zum Thema Musik und Linkshänder/umgeschulte Linkshänder gibt. Die so vielseitig und praktischen Überlegungen und Erklärungen sind absolut hilfreich für das Verstehen der unterschiedlichsten Situationen. Dabei ist die detaillierte Beschreibung verschiedenster Musikinstrumente, ihre Vor- und Nachteile beim Spielen und eventuell erforderliche Umstellungen und Änderung für linkshändige Spielweisen sehr klar und einleuchtend beschrieben.

Dieses Buch unterscheidet sich von anderen Büchern zum Thema Musik und Händigkeit dadurch, dass es sehr deutlich vor den Nachteilen der Umschulung nicht nur beim Schreiben, sondern vor allem auch für Linkshänder beim Erlernen eines Musikinstrumentes mit rechts als Führungshand warnt. Die Deutlichkeit und klaren Aussagen dazu sind eindrucksvoll dargestellt, allerdings ohne erhobenen Zeigefinger, und sollten auch den Menschen eine eindrückliche Warnung sein, die nach wie vor eine Umschulung beim Musizieren bagatellisieren und sogar von Vorteilen für Linkshänder sprechen, wenn diese auf einem Rechtshänderinstrument mit rechts spielen.

Es ist ein rundherum praktisches Buch; ich habe viele eigene Erfahrungen aus meiner Arbeit als Ergotherapeutin und zertifizierte Linkshänder-Beraterin S-MH® in dem Buch bestätigt gefunden, die Schwierigkeiten und Kämpfe von Kindern und ihren Eltern, den unterschiedlichsten Musikpädagoginnen und Musikpädagogen, Lehrern an Grundschulen, Hauptschulen und Gymnasien, aber auch musikpädagogischen Fachleuten, die sich nachdrücklich für Kinder und Jugendliche und deren musikalische Ausbildung einsetzen.

Als große Bereicherung habe ich die vielen Beispiele aus der praktischen Arbeit von Arnoldussen und ihren vielen Kontakten mit Musikern empfunden, die aus ihrem Arbeitsalltag häufig sehr persönliche Erfahrungen, zum Teil wirklich berührend, weitergeben.

Und ich denke, selbst überzeugte Musiker, die Kinder anleiten zum Musizieren, dürften nach dem Lesen dieses Buches nachdenklich werden und ihre Empfehlungen für Musizieren mit rechts oder links und Auswahl des „passenden Instrumentes“ überdenken. Im Idealfall sogar Orchestermusiker…

Ich hätte mich gefreut, wenn ein paar mehr Bilder in dem Buch gewesen wären; zum Beispiel auf Seite 69 wäre ein Bild vom Gehirn zum Verständnis des Textes hilfreich gewesen. Sehr schön finde ich das Bild auf Seite 177 von dem Celloensembel, in dem mindesten 3 Streicher mit links streichen, ohne Platzprobleme oder ohne dass dadurch die Optik des Ensembles gestört wäre!

Arnoldussen zitiert diverse Studien, ausführlich eine Studie von der Musikhochschule Hannover von Kopiez und Altenmüller; hinterfragt aber nicht, ob die in den Studien erwähnten Rechtshänder tatsächlich rechtshändig (und nicht umgeschult linkshändig) waren, was die Aussage der angeführten Studien unter Umständen unglaubwürdig machen könnte.

Insgesamt ein Buch ohne moralische Andeutungen, ohne „Wenn – Dann“ Äußerungen, ohne Druck und/oder Drohungen. Es erklärt, stellt dar, gibt ausreichend Informationen zum Nachdenken. Arnoldussen macht ihr Anliegen sehr deutlich, dass jedes Kind sein Wunschinstrument spielen dürfen sollte, kompetent dabei begleitet und von der Umgebung positiv und vorbehaltlos unterstützt. Es werden ermutigende Argumente aufgeführt, kulturelle Konventionen zu überwinden, damit gerade links spielende Streicher im Orchester selbstverständlich mitspielen können.

Es ist eine gute Ergänzung zu dem Buch von Walter Mengler, der vor 10 Jahren in seinem auch sehr interessanten Buch „Musizieren mit links“ schon viele Diskussionen und Hinweise zu dem Thema veröffentlicht hat. Arnoldussen ist es in ihrer Publikation gelungen, die Auseinandersetzungen über die unterschiedlichen Aspekte beim Musizieren Lernen mit rechts oder links und die entsprechenden Instrumente ausführlich und klar zu führen. Und ihre Sichtweise als Linkshänderin beleuchtete dieses sensible Thema ganz besonders und strahlt durchweg ihre ganz persönliche Sichtweise der Umgehensweise von Linkshändern mit Musik aus. Das hat mir ganz besonders gut gefallen.

Almuth Vasterling
Bobath-Ergotherapeutin
Linkshänder-Beraterin zert./akt. S-MH®-Konzept

 

Kontaktdaten zu Dr. Andrea Arnoldussen:
Tel. 08092 / 85 38 61
linkehandberatung@arnol.de