Linkshänder und umgeschulte Linkshänder in der Ergotherapie

Johanna Barbara Sattler

1. Einführung
Immer häufiger werde Fachleute wie Ergotherapeuten, Heilpädagogen, Motopädagogen, aber auch Kinder- und Hausärzte von Eltern linkshändiger Kinder und von umgeschulten Linkshändern jeden Alters um Rat und Hilfe bei Fragen der Händigkeit angegangen. Dabei lassen sich verschiedene Fragenkomplexe klar unterscheiden:

  • Händigkeit bei Kindern: Art und Alter der Manifestation des bevorzugten Handgebrauchs, Entwicklung der Händigkeit und geeignete bzw. wichtige Gebrauchgegenstände für Linkshänder,
  • Frage nach der zu fördernden Hand bei Kindern mit Hemiparesen und Hemiplegien, sowie bei Kindern, die bisher keinen eindeutigen bevorzugten Handgebrauch aufweisen,
  • Probleme umgeschulter Linkshänder, also Linkshänder, die zum Schreiben – und in unterschiedlichem Ausmaß auch für andere Tätigkeiten – auf den bevorzugten Gebrauch der rechten (in ihrem Fall also ihrer nicht dominanten) Hand umgeschult wurden.
  • Es tauchen bisweilen auch Fragen aus der Arbeitsmedizin über die geeignete Berufswahl auf, zum Beispiel Probleme mit Anordnungen bei bestimmten Arbeitsabläufen.
  • Wichtig sind mögliche Folgeerscheinungen durch eine Umstellung der bevorzugten Hand nach einem Unfall oder Arm oder nach einem Schlaganfall.

2. Linkshändigkeit bei Kindern
In älteren Publikationen findet man oft den Hinweis, dass sich bei Kindern die Linkshändigkeit erst im Alter von vier bis fünf Jahren manifestieren würde, ja sogar, dass die Kinder zuvor beidhändig hantieren und sich dann für die Links- oder Rechtshändigkeit entscheiden würden.

Inzwischen hat sich aber durch die direkte und sehr breit gefächerte Verbindung mit der Praxis, vor allem durch systematische Beobachtung und Untersuchung von heterogenen Gruppen linkshändiger Kinder herausgestellt, dass viele dieser Kinder weit früher eindeutig linkshändig greifen, essen, malen, die Hand geben und wesentliche Tätigkeiten mit ihrer linken Hand ausführen und dass es überhaupt nicht, wie oft behauptet, zwingend zu einem Wechseln der bevorzugten Hand kommen muss.

Das Alter, in dem Linkshändigkeit häufig schon feststellbar ist, ohne dass man Gefahr einer Fehldiagnose zum Beispiel durch die Auswirkung einer nicht erkannten Hemiparese läuft, ist 12 bis 16 Monate. Manche Eltern beobachten auch schon früher den eindeutig präferierten Gebrauch der linken Hand bei ihrem Kind, allerdings aus oben genannten Gründen sollte diese Bevorzugung vermerkt, aber noch nicht als endgültige Diagnose festgelegt werden.

Wichtig ist, Eltern und wesentlichen Bezugspersonen von Anfang an vor einer Beeinflussung der Händigkeit zu warnen, beziehungsweise sie davon zu überzeugen, dass eine solche Einwirkung verhindert werden sollte, denn manche Kinder stellen sich durch Nachahmungs- und Modellverhalten sehr früh auf die Wünsche der Umwelt ein. Besonders die wachen und intelligenten Kinder beobachten sehr aufmerksam ihre Umgebung, hören genau zu, worüber die anderen sprechen und begreifen schon sehr früh, über was geredet wird und prägen sich dann Einzelheiten ein. Da sie aber noch nicht so differenzieren können und auch mit Vorurteilen behaftete Meinungen wahrnehmen, können sie leicht falsch in ihrer Händigkeit beeinflusst werden.

Links- und Rechtshändigkeit werden vererbt, wahrscheinlich multifaktoriell, wobei es über die Art der Vererbung verschiedene Theorien und Meinungen gibt. Mit Links- und Rechtshändigkeit scheinen, ähnlich wie mit dem Geschlecht männlich und weiblich, auch bestimmte unterschiedliche Neigungen und Tendenzen im Verhalten und in der Art zu denken, fühlen und handeln verbunden zu sein (1). Siehe Literaturliste im Anhang.

Händigkeit wird durch die Hirnhemisphärenlateralisation bestimmt. Sie ist Ausdruck der motorischen Dominanz der kontralateralen Gehirnhälfte. Das heißt, die jeweilige Gehirnhälfte steuert die ihr gegenüberliegende Körperseite und in der Händigkeit prägt sich diese Dominanz am stärksten aus (auf die Frage nach weiteren Lateralitätsmerkmalen wie Füßigkeit, Ohrigkeit, Äugigkeit wird an anderer Stelle eingegangen).

Kinder hingegen, die über einen längeren Zeitraum im Handgebrauch wechseln, die manchmal zeitweise die eine, dann wieder die andere Hand bevorzugt einsetzen oder relativ beidhändig hantieren, sind meist entweder durch die Umwelt und durch Modell- und Nachahmungsverhalten in ihrer Händigkeitsentwicklung beeinflusst und dadurch gestört oder sie weisen leichte zerebrale Störungen (MCD – Minimale zerebrale Dysfunktion bzw. Teilleistungsstörungen) auf, die unter anderem zu einer Irritation der Händigkeit führen können (2).

Es ist auffällig, dass bei beidhändig hantierenden Kindern, die nicht maßgeblich durch die Umwelt in ihrer Händigkeitsentwicklung gestört wurden, es regelmäßig zu Problemen bei der Geburt oder in der Schwangerschaft gekommen ist, wobei die wohl verursachende kurzzeitige Sauerstoffunterversorgung nicht nur Folge von schweren Geburten ist, sondern auch von Sturzgeburten beziehungsweise sehr schnellen Geburten.

Offensichtlich schadet die Sauerstoffunterversorgung meistens etwas mehr der motorisch dominanten Gehirnhälfte (sie leistet mehr und hat entsprechend einen höheren Energieverbrauch) und in der folgenden Entwicklungsphase hantiert das Kind dann beidhändig, bis sich die dominante Hemisphäre soweit regeneriert hat, dass sie sich durchsetzt. Gerade diese Kinder sollten möglichst in ihrer Händigkeitsmanifestation nicht gestört, sondern es soll gut auf Defizite in der Wahrnehmung und Störungen in der fein- und grobmotorischen Entwicklung geachtet und diese behandelt werden.

Typisch ist bei manchen dieser Kinder auch, dass sie nicht richtig krabbeln, sondern sich rollend oder robbend fortbewegen und dann meist sogar schnell zu laufen beginnen.

Da die genannten Defizite für den Arzt oft schwer festzustellen sind und häufig nur als relative harmlose Entwicklungsverzögerung betrachtet werden, die angeblich von allein vorübergeht und die „sich mit der Zeit schon auswächst“, wird oft verhindert, dass diese Kinder eine entsprechende Förderung zum Beispiel durch eine ergotherapeutische oder heilpädagogische Behandlung erfahren – eben wegen der anscheinenden Geringfügigkeit des Defizits. So wird auch versäumt, rechtzeitig die Stabilisierung der Händigkeit zu fördern.

Diese Kinder, die jedoch von ihrem Intelligenzniveau her normalerweise nicht gestört oder verzögert sind, versuchen dann in der Kindergartenzeit die selbst sehr wohl empfundenen Defizite zum Beispiel in der Feinmotorik – also Störungen beim Malen, Basteln und Puzzeln – zu kompensieren, indem sie sich auf andere Bereiche „spezialisieren“. Sie bauen eher mit großen Gegenständen und versuchen oft erfolgreich durch witzige Bemerkungen, die bei feinmotorischen Tätigkeiten nicht erhaltene Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dadurch entwickeln sie aber ihre feinmotorischen Fertigkeiten nicht weiter und so kommen dann intellektuell normal entwickelte Kinder in die Schule und erleben plötzlich die große Überraschung, dass hier genau die Tätigkeiten gefordert werden, um die sie sich zuvor phantasievoll „gedrückt“, beziehungsweise die sie erfolgreich vermieden haben.

Der Schock sitzt oft tief und manches Kind rutscht in Förderklassen oder -schulen ab, manche sogar in Lernbehindertenschulen, in die sie eigentlich nicht gehören. Sehr interessant ist, dass man unter diesen Kindern einen großen Anteil gerade von denen findet, die sich in ihrer Händigkeit noch nicht festgelegt oder lange Zeit gewechselt haben.

Diese angebliche Beidhändigkeit betrifft nicht nur linkshändige sondern auch rechtshändige Kinder, aber durch den bis heute noch unterschwellig vorherrschenden Druck der Gesellschaft zur Rechtshändigkeit, „rutschen“ diese Rechtshänder in ihre richtige Händigkeit weit leichter hinein und es sind später nur vereinzelte Tätigkeiten zu beobachten, auf die ihre linke Hand spezialisiert bleibt.

Das sind meist Tätigkeiten, die sich sehr früh automatisiert, also fest eingeübt haben, als sich Gehirnabläufe noch nicht genügend stabilisiert hatten. Manchmal sind es auch Tätigkeiten aus dem grobmotorischen Bereich.

Bedenklich bleibt aber dabei, dass insbesondere die linkshändigen Kinder häufig in die falsche Händigkeit hineingleiten, mit allen negativen Folgen für ihr ganzes Leben. Oft wird von der Umwelt nach dem Grundsatz gehandelt, dass ein beidhändig hantierendes Kind ruhig auf rechts umgeschult werden kann, ganz besonders wenn das möglichst früh geschähe.

Dabei wird aber übersehen, dass in diesem Moment Gehirnablaufprozesse gestört und im Fall einer vorliegenden MCD in die Regeneration des Gehirns negativ eingegriffen wird und dass das Kind quasi doppelt belastet bleibt.

Auch die häufig empfohlenen beidhändigen Malübungen (gut gemeint, um feinmotorische Fähigkeiten zu fördern) schulen gleichzeitig beide Hände und verhindern so, dass gerade die oft stärker geschädigte, dominante Gehirnseite sich durchsetzen kann.

Entweder übernimmt die andere Hand inzwischen wichtige Tätigkeiten ganz oder das Kind wechselt im Handgebrauch lange hin und her und bleibt mit beiden Händen ziemlich ungeschickt.

Diese Kinder sollten frühzeitig beobachtet und einer entsprechenden Fachperson zur Diagnose vorgestellt werden. Die dann oft festgestellten Defizite, besonders in Fein- und Grobmotorik, sollten gezielt behandelt werden. Oft kommt es dann bei so einer rechtzeitig eingeleiteten Therapie auch zu zerebralen Regenerationen, in deren Folge sich häufig die Händigkeit immer deutlicher manifestert.

Der Grund, warum in der Fachliteratur insbesondere diese Gruppe der linkshändigen Kinder aufgefallen ist und weiter warum durch das (verglichen mit den Prozentzahlen vieler gängiger Statistiken) relativ häufige Auftreten von so geschädigten Linkshändern in den Praxen von Berufsgruppen wie Logopäden, Heilpädagogen, Ergotherapeuten und Motopäden, früher sogar zu der Meinung geführt hat, dass Linkshändigkeit per se häufig mit Sprachstörungen, Legasthenie u.ä. Störungen verbunden sei und Linkshänder von Haus aus ungeschickter wären, ist, dass eben diese Berufsgruppen nur gestörte Kinder sehen, denn nicht gestörte linkshändige Kinder werden dort normalerweise nicht vorgestellt.

So wird von gerade diesen Fachleuten oft nicht wahrgenommen, dass Linkshänder feinmotorisch ebenso geschickt sein können wie Rechtshänder, keine Sprachstörungen haben und auch nicht automatisch legasthenische Erscheinungen bei ihnen auftreten.

Einzig der Kinder- und Hausarzt bekommt die heterogene Gruppe der linkshändigen Kinder (sowohl mit als auch ohne Teilleistungsstörungen) zu Gesicht, anläßlich der von sehr vielen Eltern regelmäßig durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen.

Unglücklicherweise wird aber in dem Untersuchungsheft für Kinder Linkshändigkeit nirgends als eigener Punkt aufgeführt und so bleibt hier eine sehr gute Chance ungenutzt, um linkshändige Kinder von früh an vor gut gemeinten Umschulungsversuchen der Eltern zu schützen.

Für diese oft unwissenden, aber in bester Absicht handelnden Eltern hingegen wird auch die Möglichkeit verpasst, sie vor späteren Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen zu bewahren und vor einem sich entwickelnden negativen Circulus vitiosus aus unbegriffenem Versagen des Kindes in der Schule, Überforderung des Kindes in der Familie, Vorwürfen und schließlich Verhaltensauffälligkeiten, wie zum Beispiel Rückzugstendenzen des Kindes oder demonstratives Trotzen oder Herumkasperln, was wieder die Gemeinschaftsharmonie stört.

An sich würde es genügen, dass – zuerst im Alter von circa einem Jahr und dann noch mal von etwa vier Jahren – der Arzt über die Händigkeit des Kindes nachfragt und die Eltern auf die Gefahren einer Umschulung der Händigkeit aufmerksam macht und ebenso auf die Notwendigkeit, dass dem Kind frühzeitig entsprechende Gebrauchsgegenstände zur Verfügung gestellt werden sollten.

Eine genaue Testuntersuchung der Händigkeit durch den Arzt ist nicht notwendig. Händigkeitstestungen sollten Ergotherapeuten, Heilpädagogen und Mototherapeuten durchführen, die auch für die Diagnostik diffiziler Auffälligkeiten in der Motorik ausgebildet sind. Auch vom zeitlich erforderlichen Rahmen würde eine Händigkeitstestung eher die Möglichkeiten der meisten Kinder- und Hausärzte übersteigen. Die von manchen Ärzten durchgeführten Kurztests sind zwar für Kinder, die eine eindeutige Händigkeit aufweisen, geeignet, jedoch bei den Problemkindern, die im Handgebrauch längere Zeit wechseln, sie zu großmaschig und oft durch Zufälligkeiten verzerrt.

3. Möglichkeiten der Händigkeitsbestimmung

3.1. Beobachtungskriterien des Handgebrauchs
Eine Händigkeitsbestimmung sollte aus der Beobachtung von verschiedensten Tätigkeiten bestehen und aus den Ergebnissen von Testverfahren.

Bei der Bewertung von Tätigkeiten ist sehr wichtig, dass man sich über die Aussagekraft der einzelnen Items im klaren ist. Es ist zum Beispiel zu unterscheiden zwischen Tätigkeiten, die entweder mit nur einer Hand oder mit beiden Händen durchgeführt werden.

Wir haben zwei Hände, die wir normalerweise auch beide benutzen und es ist völlig normal, dass beide Hände geübt und geschickt sind. Eine Hand jedoch die Führungshand und diese übernimmt meist die schwierigeren Aufgaben. Das sollte die dominante Hand sein. Daher werden zur Händigkeitsbestimmung oft auch Tätigkeiten beobachtet, an denen beide Hände beteiligt sind. Die Aufgaben einer Hand bezeichnen wir dann als die schwierigeren und gehen davon aus, dass diese von der Führungshand übernommen werden. Bei manchen Tätigkeiten ist es nun aber sehr schwer festzulegen, welches tatsächlich die wichtigere Hand, also die Führungshand, ist.

Perlen auffädeln ist ein typisches Beispiel für eine Tätigkeit, an der beide Hände beteiligt sind und es stellt sich die Frage nach der Führungshand. Ist es die Hand, die die Perle oder die, die den Faden hält? Das hängt auf der einen Seite sehr von der Größe und der Greifbarkeit der Perle ab, dann von der Beschaffenheit des Loches in der Perle, andererseits aber auch von der Art des Fadens, der durchgeführt werden soll: Handelt es sich um ein festes Lederband, um ein steifes Kunststoffgarn, um einen Faden mit Nadel oder um einen lappeligen, andauernd sich bewegenden, weichen Zwirn; das Ergebnis kann jedes Mal anders sein.

Aber auch die feinmotorischen Fertigkeiten des Kindes sind in die Beurteilung miteinzubeziehen: seine Geschicklichkeit mit kleinteiligen Gegenständen umzugehen oder auf der anderen Seite das Vermeiden, feine Arbeiten durchzuführen. Selbstverständlich ist auch das Alter des Kindes mitzuberücksichtigen und ob es diese Tätigkeit gewohnt zu tun ist oder ob sie für das Kind etwas ganz neues darstellt. Es muss auch auf die Hand geachtet werden, die sich stärker bewegt, um so nach genauer Beobachtung, die Führungshand festzulegen. Oft ziehen die Kinder die gerade aufgefädelte Perle über das Band nach unten, wozu erfahrungsgemäß meist nicht der Faden in die andere Hand gewechselt wird, um diese Tätigkeit auf alle Fälle mit der dominanten Hand durchzuführen, sondern die gerade freie Hand benutzt wird und das kann auch die nicht dominanten Hand sein.

Gerade das Perlen auffädeln findet sich sehr oft in Zusammenstellungen zur Beobachtung der Händigkeit. Vielleicht weil es eine Tätigkeit ist, die bei Kindern oft beobachtet werden kann und die Kinder auch gerne machen. Tatsächlich ist Perlen auffädeln aber eine denkbar ungünstige Tätigkeit zur Händigkeitsbestimmung.

Aus einer beidhändigen, eher wenig über die dominante Hand aussagenden Tätigkeit des Auffädelns von Perlen auf einen Faden, kann man aber eine weit eindeutigere Tätigkeit machen: Auf den in einem Holzplättchen fixierten, senkrechten Draht sollen Perlen verschiedenster Größe aufgesteckt werden. Der Draht wird mittig vor dem Kind aufgestellt und davor ein Glas mit Perlen. Schon das Heraussuchen der Perlen sagt viel über die dominante Hand aus. Das Aufstecken der Perle ist dann eine feine Tätigkeit, die die meisten Kinder ohne Schwierigkeiten mit einer Hand bewerkstelligen können. Es ist auch wichtig, dass das Kind bei den Perlen im Glas die Auswahl zwischen kleineren und größeren hat, um auch jüngeren Kindern oder solchen mit feinmotorischen Schwierigkeiten die Möglichkeit zu geben, für sie gut greifbare Perlen zu finden.

Im folgenden werden Tätigkeiten aus dem von der Autorin zusammengestellten „Fragebogen zur Bestimmung der Händigkeit“ aufgeführt

3.1.1 Items
aus dem „Fragebogen zur Bestimmung der Händigkeit“ (2) einschließlich der Befragung nach dem Auftreten der

Händigkeit in der Familie

A) Händigkeit in der Familie

B) Bei welcher der folgenden Tätigkeiten bzw. Geräten wird/werden die linke, rechte oder beide Hände bevorzugt?

1.1. Sehr spontane, von der Erziehung und der Umwelt nicht geprägte Tätigkeiten, die mit einer Hand vollzogen werden können.

1.2. Sehr spontane, von der Erziehung und der Umwelt nicht geprägte Tätigkeiten, die mit zwei Händen vollzogen werden können.

2. Durch Erziehung und Nachahmung geprägte und beeinflußte Tätigkeiten

3. Durch technische Vorrichtungen geprägte Tätigkeiten und fehlende linkshändige Produkte

C) Zur Händigkeitsentwicklung im Kindesalter

 

3.1.2. Zur Händigkeit in der Familie
Auch die Händigkeit in der Familie sollte unbedingt erfragt werden. Immer wieder äußern Eltern, dass es in ihrer Familie bisher keine Linkshänder gegeben habe und dass das Kind der erste Linkshänder überhaupt sei und daher vielleicht sogar kein echter Linkshänder.

Wenn man aber genauer nachfragt, stellt sich oft heraus, dass zum Beispiel über die Händigkeit der Großeltern nur sehr wenig bekannt ist, diese vielleicht schon verstorben sind oder ein Angehöriger viel beidhändig mache, aber an eine Umschulung der Händigkeit keine Erinnerung besteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich aber hier um einen Linkshänder handelt, ist sehr groß, denn früher wurde oft sehr konsequent umgeschult und diese Erlebnisse werden als beschämend oder mit Tabus behaftet verdrängt und vergessen.

Auch wenn beide Elternteile Einzelkinder sind und sowohl auf der Ebene der Tanten und Onkel als auch der Cousinen und Cousins das Kind keine direkte Verwandtschaft hat, ist die Feststellung, dass es in der Familie keinen anderen Linkshänder gäbe, nicht sehr aussagekräftig.

3.1.3. Besprechung ausgewählter Tätigkeiten und Bewertung der Ergebnisse
Es wäre sinnvoll, über jede Tätigkeit einzeln nachzudenken, über ihre Relevanz und Gewichtung für eine Händigkeitsbestimmung. Das würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher wird eine Auswahl an besonders interessanten Items aus den jeweiligen Punkten herausgenommen und besprochen.

Eine beidhändige Tätigkeit, bei der jedoch eine Führungshand oft gut deutlich wird, ist das Bürsten der Fingernägel mit einer Nagelbürste. Meist bewegt sich sowohl beim Bürsten als auch beim Gebürstet werden einzig oder vornehmlich die dominante Hand.

Für von Gegenständen geprägte Tätigkeiten, verbunden mit Erziehung ist der Gebrauch der Schere ein sehr typisches Beispiel. Viele eindeutig linkshändige Kinder schneiden mit der rechten Hand, weil sie es so gezeigt bekommen haben oder weil sie feststellten, dass die einfachen, für rechtshandgerechten Gebrauch ausgelegten Kinderscheren in der linken Hand nicht richtig funktionieren, dass das Papier durchrutscht und dass man überhaupt nicht richtig sehen kann, wo man schneidet (3).

So orientieren sich solche Kinder häufig an anderen Kindern, schneiden rechts und automatisieren den Handlungsablauf. Wenn dann irgendwann den Eltern die Linkshändigkeit ihres Kindes richtig bewusst wird und sie endlich eine Linkshänderschere kaufen, wundern sie sich oft, dass das Kind diese ablehnt oder mit ihr in der rechten Hand schneidet.

Malen, Schreiben und der Gebrauch von Löffel, Gabel und Messer sind auf der einen Seite für die Händigkeitsbestimmung sehr aussagekräftige Tätigkeiten, auf der anderen Seite unterliegen sie aber besonders der erzieherischen Aufsicht.

Bewusst und unbewusst wird hier oft auf die rechte Hand umgeschult. Der Tisch wird meist für Rechtshänder gedeckt und Löffel und Gabel „nimmt man in die richtige“ Hand, gemeint ist die rechte.

Eine allgemeine Definition der Händigkeit könnte folgende sein: Überlegenheit der rechten oder linken Hand, größere Geschicklichkeit, mehr Kraft, längere Ausdauer, präferierter Handgebrauch.

Allerdings wird diese Definition sofort wieder in Frage gestellt.

a) Umschulungsversuche, die manche Erziehungsbeauftragte auch noch heute bei linkshändigen Kindern, zwar vorsichtig, aber trotz allem durchführen,

b) Modell- und Nachahmungsverhalten des Kindes selbst, die durch bestimmte Persönlichkeitszüge des Kindes, wie zum Beispiel Angepaßtheit und genaue Beobachtung der Umwelt zusätzlich verstärkt werden können;

c) feinmotorische Fähigkeiten, beziehungsweise Störungen des Kindes und die schon oben beschriebene Tatsache, dass der Handgebrauch bei ergotherapeutisch, heilpädagogisch und neuropädiatrisch betreuten Kindern durch zerebrale Störungen oft durcheinander gekommen ist und wichtige Tätigkeiten im Entwicklungsverlauf sich auf der nicht dominanten Hand automatisieren können;

d) Alter des Kindes

e) sozio-kulturelle Einflüsse.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass eine normierte Auswertung der beobachteten Tätigkeitsitems nicht durchführbar ist und es wohl auch in Zukunft nicht werden wird. Denn es müßten so viele verschiedene Überlegungen in die Bewertung des einzelnen Items einfließen über Erziehung, Entwicklungsstand des Kindes und Beurteilung des Items in seiner Relevanz bezüglich der Bestimmung einer dominanten Hand überhaupt, dass eine Normierung, die Aussagekraft für eine große Population hätte und relativ unabhängig von soziokulturellen Beeinflussungen wäre, wohl weder sinnvoll sein kann, noch durchführbar ist.

Allerdings beschäftigt sich die Wissenschaft seit geraumer Zeit mit der Bewertung von verschiedenen Items. So hielt zum Beispiel Oldfield (4) von zwanzig untersuchten Tätigkeiten zehn für geeignet zu einer Händigkeitsbewertung (Edinburgher Händigkeits-Inventar). Bei seinen Untersuchungen handelte es sich jedoch wieder nicht um direkte Beobachtung sondern um eine Selbstangabe des Probanden.

Immer wieder wird auch der Harris-Test der Seitendominanz genannt (5). Das hängt sicher damit zusammen, dass in den 1990 herausgegebenen überarbeiteten Materialien eines Fortbildungsseminars für Ergotherapeuten im Jahr 1977 der Harris-Test beschrieben wird. Allerdings fehlte der Autorin das vollständige Testmaterial des 1947 und 1955 veröffentlichten Tests und sie macht auch keine weiteren Quellenangaben. Der Test ist eine Zusammenstellung aus Fragen zur Richtungssicherheit, zur bevorzugten Hand mit pantomimisch auszuführenden Aufgaben, Zeichnen, Schreiben, Augen- und Fußdominanz. Schwachpunkte liegen in der undifferenzierten Behandlung von verschiedenen Tätigkeiten und der wissenschaftlichen Fragwürdigkeit der Aufteilung in verschiedene Ausprägungsgrade der Händigkeit.

Auch von verschiedenen anderen Autoren (u.a. Naville und Liselotte Kramer) wurden Zusammenstellungen von Tätigkeitsitems gemacht. Wissenschaftlich wird auch über die Signifikanz einzelner Tätigkeiten und ihrer Relevanz zur Händigkeitsmessung geforscht. Eine angemessene Beschreibung und Beurteilung dieser Arbeiten würde jedoch den Rahmen dieser Veröffentlichung sprengen.

3.2 Händigkeitstests

3.2.1 HDT – Hand-Dominanz-Test
Es gibt relativ wenige normierte Händigkeitstests. An erster Stelle ist der HDT – Hand-Dominanz-Test von Steingrüber und Lienert zu nennen (6). Er besteht aus drei Untertesten: Spurennachzeichnen und Kreis- und Quadratepunktieren. Bei klarer Händigkeit funktioniert dieser Test sehr gut. Bei linkshändigen Kindern aber, die zum Malen und Schreiben auf den Gebrauch der rechten Hand umgeschulte wurden, sind die Ergebnisse oft nicht eindeutig. Denn der Test mißt gerade Tätigkeiten, die engstens mit dem Zeichnen und Schreiben verbunden sind und die durch die Umschulung der Händigkeit von außen beeinflusst und irritiert wurden. Diese Resultate sind folglich dann oft auch nicht wirklich aussagekräftig.

Bei Kindern, die zum wechselnden Handgebrauch neigen, die oft wegen schneller Ermüdung den Stift von einer in die andere Hand tauschen oder die wegen Problemen beim Überkreuzen der Mittellinie sich eingeübt haben, auf der linken Blattseite mit der linken und auf der rechten mit der rechten Hand zu malen, sind die Ergebnisse entsprechend zusätzlich verzerrt.

Trotz allem ermöglicht dieser Test aber doch die Beobachtung des Kindes, wie es mit Stiften umgeht, wie die Stifthaltung in der jeweiligen Hand ist, welche Hand besser nachspurt beziehungsweise punktiert und es erscheint sinnvoll, den Test regelmäßig durchzuführen.

Auch die Ergebnisse im Leistungs-Dominanz-Test (L-D-T) von Friedhelm Schilling werden sehr stark von einer Umschulung der Händigkeit oder feinmotorischen Störungen des Kindes beeinflusst (7). Auch dieser Test, bei dem es um das Punktieren von Kreisen auf der Umrißlinie eines Hampelmanns geht, wird von manchen Therapeuten gern durchgeführt (leider ist der Test nicht offiziell normiert, sondern Teil des PTKs).

3.3 Lateralitätsmessungen: Füßigkeit, Ohrigkeit, Äugigkeit
Sogenannte Lateralitätsmessungen, also die Überprüfung der Präferenz von anderen paarig angelegten Organen des menschlichen Körpers wie Füßigkeit, Ohrigkeit und Äugigkeit werden oft empfohlen.

Jedoch stellt sich hier die Notwendigkeit, zunächst Störungen des jeweiligen Organs aus verschiedensten Richtungen auszuschließen. So muss in eine Beurteilung einer Testung der Füßigkeit auch die Fähigkeit, das Gleichgewicht halten zu können, eingehen oder mögliche Koordinationsstörungen, die den präferierten Fußgebrauch stark beeinflussen können.

Für die Beurteilung einer Ohr- oder Augenpräferenz müssen zunächst organische Störungen ausgeschlossen werden, wie eine Mittelohrentzündung auf einem Ohr mit bleibendem Schaden oder Funktionsstörungen in einem der Augen oder in der visuellen Verarbeitung im Gehirn.

Springer und Deutsch sehen wenig Zusammenhang zwischen den Bevorzugungen von Auge, Ohr, Fuß und Hand. „Die höchste der – allerdings insgesamt nicht sonderlich hohen – Korrelationen wurde zwischen Hand- und Fußpräferenz festgestellt“ (8).

3.4 Fazit
Eine Händigkeitstestung muss immer verschiedenste Tätigkeiten beobachten und Händigkeitstests berücksichtigen und die Ergebnisse in Bezug setzen mit

  • dem Entwicklungsstand des Kindes,
  • möglichen Krankheiten und Störungen des Kindes,
  • möglichen Irritationen der Händigkeitsentwicklung durch die Umwelt (Familie, Bekannte, Kindergarten, Spielkameraden),
  • Einfluss von Modell- und Nachmungsverhalten und
  • Händigkeit in der Familie.

Im Schulalter kommen noch spezifische Schulprobleme aus dem Bereich der primären und sekundären Umschulungsfolgen hinzu. Diese dürfen aber nicht ausreichend erklärbar sein zum Beispiel durch einen unzureichenden IQ, eine Lese-Recht-schreibschwäche oder andere Teilleistungsstörungen, die schon zuvor in der Entwicklung des Kindes auffällig waren. Häufig und ungewöhnlich schwankt oft auch das Leistungsprofil in Intelligenztesten.

4. Wichtige Gebrauchsgegenstände für linkshändige Kinder
Einem linkshändigen Kind sollte man, von Beginn des Schneidens an, eine Linkshänderschere zur Verfügung stellen, damit das Kind den richtigen Gebrauch der Schere lernt und sich nicht eine falsche Handhaltung und falsche Augen-Hand-Koordination einübt (3).

Ansonsten kann das Schneiden schon zu Beginn der Schule so automatisiert sein, dass das Kind den Gebrauch der Linkshänderschere nicht mehr richtig erlernt und diese dann ablehnt, obgleich es eigentlich präziser und einfacher mit ihr schneiden könnte.

Das oft gehörte Argument, dass nicht überall eine Linkshändschere zur Verfügung steht, ist abzulehnen, da eine Schere vom Gewicht her nicht schwer ist und man seine eigene zu entsprechenden Tätigkeiten mitnehmen und auch am eigenen Arbeitsplatz zur Verfügung haben kann.

Spitzer für Linkshänder sind insofern interessant, als das dem Kind ermöglichen, die linke Hand beim Spitzen nach außen, vom Körper weg, zu drehen, ein Bewegungsablauf, der motorisch leichter ist als das Drehen nach innen, zum Körper hin.

Für ältere Kinder sind Haushaltsgegenstände wie Kartoffelschäler und Dosenöffner interessant.

Erwachsene haben sich meist schon so sehr an den spezifischen Gebrauch eines bestimmten Gegenstandes gewöhnt, mit dem sie recht und schlecht auskommen, dass sie oft die ergonomisch günstigeren Linkshandgebrauchsgegenstände ablehnen.

Allerdings bei für sie neuen Gebrauchsgegenständen schätzen sie meist linkshandgerechte Ausführungen und Anordnungen (9).

5. Unverkrampfte Schreibhaltung des Linkshänders
Sehr wichtig ist, dass zum Erlernen einer lockeren, unverkrampften Schreibhaltung rechtzeitig Hilfestellungen eingeleitet werden. Als Vorbereitung darauf könnten Nachspurübungen durchgeführt werden, bei denen das Kind spielerisch lernt, das Blatt leicht nach rechts zu neigen und mit der Hand unter der Linie, auf der es gerade nachspurt, nachzurutschen, damit es später beim Schreiben mit dem Füller die Tinte nicht verwischt (10).

Mit diesen Übungen sollte im Normalfall schon vor Schulbeginn begonnen werden. Viele Kinder haben bereits etwa ein Jahr, bevor sie in die Schule kommen, ausreichende feinmotorische Fertigkeiten, um das zu schaffen. Auch im Rahmen von Vorschulunterricht können Übungen zur Vorbereitung einer lockeren Schreibhaltung durchgeführt werden. Es sollte aber immer freiwillig geschehen und unter der liebevollen Aufsicht eines Erwachsenen, damit wirklich die richtige Haltung eingeübt wird.

Die Schreibhaltung ist bei vielen Kindern schon sehr bald festgelegt (1. Klasse), so dass später kaum noch eine Änderung möglich ist und die Kinder dann beim Schreiben mit dem Füller in die so genannte Hakenhaltung „von oben“ ausweichen, eben, um die Tinte nicht zu verwischen. Es kommt hier schnell zu einer Automatisierung der Hand-Augen-Koordination. Auf zu späte Versuche einer regulierenden Änderung der Schreibhaltung reagieren viele Kinder nicht nur mit Ablehnung und Trotz, sondern manchmal auch physiologisch, z.B. mit Schwindelgefühlen; in seltenen Fällen auch mit Übelkeit und Erbrechen ohne neurophysiologischen Befund.

6. Umgeschulte Linkshänder
Durch die Umschulung der Händigkeit, insbesondere zum Schreiben mit der nicht dominanten Hand, kann es zu folgenden Primär- und Sekundärfolgen kommen. Primärfolgen können sein:

  • Gedächtnisstörungen (besonders beim Abrufen von Lerninhalten)
  • Konzentrationsstörungen (schnelle Ermüdbarkeit)
  • legasthenische Probleme (Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten)
  • Raum-Lage-Labilität (Links-Rechts-Unsicherheit)
  • feinmotorische Störungen (die sich z.B. im Schriftbild äußern)
  • Sprachstörungen (Stammeln bis zum Stottern).

Diese Primärfolgen können sich dann in unterschiedliche Sekundärfolgen umsetzen:

  • Minderwertigkeitskomplexe
  • Unsicherheit
  • Zurückgezogenheit
  • Überkompensation durch erhöhten Leistungseinsatz
  • Trotzhaltung, Widerspruchsgeist, Imponier- und Provokationsgehabe (z.B. „Klassenkasperle spielen“ im Unterricht, und im Erwachsenenalter die Rolle des Clowns und des andauernden, oft krampfhaften Witzemachers)
  • unterschiedlich ausgeprägte Verhaltensstörungen
  • Bettnässen und Nägelkauen
  • emotionale Probleme bis ins Erwachsenenalter mit neurotischen und/oder psychosomatischen Symptomen
  • Störungen im Persönlichkeitsbild.

Alle unter Primär- und Sekundärfolgen aufgeführten Schwierigkeiten können selbstverständlich auch ohne eine Umschulung der Händigkeit auftreten und zwar genauso bei Links- wie bei Rechtshändern. Durch eine zusätzliche Umschulung der Händigkeit werden aber diese Schwierigkeiten, wie die Praxis zeigt, noch unverhältnismäßig verstärkt.

Die Umschulung der Händigkeit greift also in Gehirnablaufsprozesse störend und behindernd ein und zwingt den Menschen, andauernd weit mehr Kräfte einzusetzen, um seine Intelligenz zu mobilisieren, als ein unbehinderter, von den Folgen der Umschulung der Händigkeit nicht betroffener Links- oder Rechtshänder benötigt.

Die Intelligenz selbst wird nicht vermindert, jedoch ihre Manifestation gestört, z.B. beim Formulieren und Ausdrücken der Gedanken, beim Abrufen von Lerninhalten in Schrift und Sprache, und so kommt es andauernd zu einem erhöhten Kräfteeinsatz (11).

7. Chancen und Gefahren einer Rückschlungen der Händigkeit
Mit Fragen über eine Rückschulung auf die dominante Hand wenden sich heute Betroffene an Ärzte, Ergotherapeuten, Heil- und Motopädagogen, Psychologen und Soziologen. Hierbei ist es sehr vorsichtig vorzugehen und folgende Punkte zu beachten:

1. Durch eine Rückschulung der Händigkeit reduzieren sich am ehesten manche der Primärfolgen, aber sie ist kein Wundermittel und nach den heutigen Erkenntnissen sind die Umschulungsfolgen nicht völlig reversibel. Allerdings erhöht sich bei vielen Menschen das allgemeine Wohlbefinden.

2. Sekundärfolgen aus dem neurotischen Bereich bedürfen einer eigenen psychotherapeutischen Behandlung.

3. Psychosomatische Krankheiten und Beschwerden können evtl. zurückgehen, trotzdem bleibt die Disposition erhalten und so wird hier manchmal durch einen anderen, angemesseneren Lebensrhythmus und eine andere Aufteilung der Streßbelastungen geholfen, als durch eine Rückschulung der Händigkeit, die im Gegenteil anfangs sogar eine erneute Belastung bedeuten kann und die die Krankheit dann möglicherweise eher vertieft als behebt.

4. Besonders ist von ärztlicher Seite auf das Vorkommen von physiologischen und neurologischen Störungen bei dem betreffenden Patienten zu achten, die durch eine Rückschulung auch einen sehr negativen Verlauf annehmen können. Es kann sogar geschehen, dass bei einer entsprechenden Disposition des Patienten, durch zusätzliche Belastungen bei der Rückschulung der Händigkeit, Krankheiten erst ausbrechen können.

Es gibt verschiedene Fallberichte, wonach abgeklungene Epilepsieanfälle wieder aufgetreten sind, als der Patient sich auf seine dominante linke Hand zurückschulte. Auch Borderline-Patienten sollten sich lieber keiner Rückschulung unterziehen, um nicht negativere Reaktionen des Körpers und der Psyche zu provozieren.

5. Menschen, die viel unter Stress handschriftlich schreiben müssen oder die in Ausbildung und Studium sind, sollten sehr vorsichtig mit einer Rückschulung der Händigkeit umgehen und lieber in einer weniger belasteten Lebensphase diese versuchen.

Trotz allem berichten viele Menschen von positiven Wirkungen auf ihr Leben und einem größeren Wohlbefinden im zeitlichen Zusammenhang mit einer Rückschulung der Händigkeit (13).

Zumindest ist es wichtig, dass der umgeschulte Linkshänder seine Probleme, die mit einer umgeschulten Händigkeit zu tun haben können, in einer anderen Kausalität sieht und sich nicht als „nicht so intelligent“ interpretiert, sondern lernt, anders mit ihnen und sich selbst umzugehen.
Resumee: Am besten wäre es aber, wenn durch präventive Maßnahmen und Aufklärung es gar nicht zu der Umschulung der Händigkeit käme und somit einem großen Anteil der Menschen diese unnötigen Belastungen und Beeinträchtigungen in ihrem Leben erspart blieben.

Literatur:

1) Sattler, Johanna Barbara: Die Psyche des linkshändigen Kindes. Von der Seele, die mit Tieren spricht. Auer Verlag, Donauwörth 1998, 2002 (4).

2) Siehe dazu Artikel der Autorin: „“Beidhänder“sind hirngeschädigt“. In: Münchener medizinische Wochenschrift, 135 (1993) Nr. 21, S. 291/35-294/40. Wiederabgedruckt in Sattler, Johanna Barbara: Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn. Auer Verlag, Donauwörth 1995, 2004 (8), S. 350-356.

3) Es handelt sich hier um den schon in dem Buch „Das linkshändige Kind in der Grundschule“ von der Autorin vorgestellten Fragebogen, der inzwischen differenziert und erweitert wurde. (Das Buch wurde im Auftrag des Bayer. Kultusministeriums erarbeitet und vom Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung, München, 1993 herausgegeben. Vertrieb: Auer Verlag, Donauwörth, 2003 (11).

4) Sattler, Johanna Barbara: Übungen für Linkshänder. Schreiben und Hantieren mit links. Auer Verlag, Donauwörth, 1996, 2005 (8), S. 65 ff. und S. 70 ff.

5) Oldfield, R.C.: „The Assessment and Analysis of Handedness: The Edinburgh Inventory“. In: Neuropsychologia, 1971, Vol. 9, pp. 97-113.

6) „Der Harris Test der Seitendominanz“. In: Miske-Flemming, Dorothee: Theorie und Methode der Behandlung von perzeptionsgestörten Kindern. (Neue Reihe Ergotherapie: Reihe 2, Fachbereich Pädiatrie; Bd. 4). Schulz-Kirchner Verlag, Idstein, 1990, 1996 (8), S. 63-70.

7) Steingrüber, Hans-Joachim, Lienert,

Gustav A.: Hand-Dominanz-Test. H-D-T. Verlag für Psychologie, Dr. C.J. Hogrefe, Göttingen, 1976 (2).

8) Beschreibung des Leistungs-Dominanz-Tests (L-D-T): Schilling, Friedhelm: „Bestimmung der Händigkeit“. In: Motorik, 1979, Heft 2, S. 48 f.

9) Springer, Sally P., Deutsch, Georg: Linkes rechtes Gehirn. Dt. Übersetzung herausgegeben von Bruno Preilowski. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, Oxford, 1987, 1995 (3), S. 142/3.

10) Eine Laden- und Versandliste, wo Linkshänderprodukte zu erwerben sind, findet man z.B. in „Übungen für Linkshänder“ (siehe Fußnote 3), S. 139. Die Erste deutsche Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder, Sendlinger Str. 17, 80331 München, versendet gegen Zusendung eines frankierten Rückumschlags eine Laden- und Versandliste für linkshandgerechte Gebrauchsgegenstände.

11) Genaue Hinweise findet man in „Übungen für Linkshänder“, Kapitel 1 und 4.

12) Sattler, Johanna Barbara: Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn, Auer Verlag, Donauwörth 1995, 2004 (8), S. 49 f.

13) Zur Rückschulung der Händigkeit siehe auch: Sattler: Der umgeschulte Linkshänder, Kapitel 7: „Möglichkeiten und Gefahren einer Rückschulung der Händigkeit“, S. 143 ff.

Dies. „Chancen und Gefahren einer Rückschulung der Händigkeit bei Erwachsenen (Teil 1)“. In: Left Hand Corner. Herausgegeben von Norbert Martin, Wuppertal, Nr. 6 1/1999, S. 10-20.

In: Praxis Ergotherapie, Jg. 12 (2), April 1999, S. 98-110 Grundlagen

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Anschrift der Verfasserin:

Dr. Johanna Barbara Sattler
Leiterin der Ersten deutschen Beratungs-
und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder
Sendlinger Str. 17
80331 München
Tel. 089 / 26 86 14.

Die Autorin hält auch Seminare zu der Thematik.